Champagner, Sekt und Co.: Prickelndes zu Pute und Gans
Edler Wein zum Festtagsbraten ist ein Klassiker. Doch passen auch Sekt oder Champagner dazu? „Absolut“, sagen Kenner. Wenn die Qualität stimmt. test gibt Tipps, was zu Ente, Gans und Co. am besten passt und worin sich die verschiedenen Schaumweine – von Champagner bis Prosecco – eigentlich unterscheiden. Und deckt auf, dass der Vater des Champagners höchstwahrscheinlich kein Franzose war.
Es muss nicht immer Champagner sein
Rinderhüfte auf Champagnersoße, gefüllte Kräuterpoularde, Lammkeule im Gemüsebett: Zu diesen Gerichten empfiehlt der Meisterkoch Menon Champagner – so wie zu jedem fünften seiner vielen Rezepte. Der populäre Küchenchef hat sie auf mehr als 400 Seiten für den französischen Königshof gesammelt und als Rezeptbuch publiziert – anno 1755. Gut 250 Jahre später sind die Ratschläge des legendären Maître noch immer aktuell: Im Drei-Sterne-Restaurant „Schwarzwaldstube“ im baden-württembergischen Baiersbronn werden sogar vollständige Menüs von dem edlen Tropfen begleitet. „Es muss aber nicht Champagner sein“, sagt der langjährige Küchenchef Harald Wohlfahrt. „Wenn die Qualität stimmt, sind Sekt oder Crémant tolle Alternativen.“
Auf eine verkaufte Flasche Schampus kommen über 30 Flaschen Sekt
Die Verbraucher sehen das offenbar ähnlich. Vom Champagner, dem König der Schaumweine, kamen im vergangenen Jahr stolze 12 Millionen Flaschen in den deutschen Handel. Mit mehr als 410 Millionen verkauften Flaschen hatte Sekt im gleichen Zeitraum dennoch die Nase weit vorn.
Tipp: Sekt, Champagner, Crémant und Cava sind Qualitätsschaumweine. Als solche müssen sie sich ihre Perlen selbst „verdienen“. Mehr dazu unter Herstellungsverfahren. Für Perlweine gilt das nicht Prosecco und Rosé.
Sekt in Champagner-Qualität
Wer zum Fest einen wirklich guten Tropfen genießen will, sollte sich von traditionsreichen Namen nicht blenden lassen. Das belegte bereits unser erster großer Sekt- und Champagner-Test im Jahr 1967. Auch der Preis sagt nicht immer etwas über die Güte eines Schaumweins aus: In einigen unserer älteren Tests waren die besten Produkte zugleich die billigsten; auch Sekt aus Tankgärung und Champagner vom Discounter konnten mehrfach überzeugen.
Tipp: Besonders hochwertig produzierten Sekt erkennen Sie am Hinweis „traditionelle/klassische Flaschengärung“ auf dem Etikett. Er erreicht oft Champagner-Qualität, ist aber meist billiger, Test Sekt und Champagner, test 1/2011.
Die Kunst des Kombinierens
Für eine stimmige Kombination aus Speise und Getränk sollten je nach Gericht fruchtige oder herbe Geschmacksnoten die Aromen der einzelnen Gänge ergänzen. Weinhändlerin Anja Schröder: „Frischer, leichter Schaumwein passt zu Meeresfrüchten, Fisch und hellem Fleisch wie Pute oder Huhn. Champagner, die gereift und herb sind, verlangen dagegen nach kräftigen Tönen. Sie harmonieren mit Rind, Lamm, Ente und Gans.“ Der Nachtisch braucht dann lieblichere Noten: „Zu süßen oder beerigen Desserts passen halbtrockene, milde Schaumweintypen“, so die Expertin.
Tipp: Käse und Sekt – das schmeckt. Milder Käse harmoniert mit fruchtigen Sektsorten. Zu kräftigem Hartkäse wie Parmesan kann es auch ein herber Champagner sein.
12 Stück Würfelzucker pro Flasche
Ob ein Schaumwein süß schmeckt, liegt neben dem Säure- auch am Zuckergehalt. Steht auf dem Etikett zum Beispiel „extra brut“ (sprich: „brütt“) enthält er maximal 6 Gramm Zucker pro Liter. Bei „mild“ oder „doux“ (sprich: „duh“) dürfen es 50 Gramm sein oder mehr – umgerechnet auf eine 0,75-Literflasche gut 12 Stück Würfelzucker.
Die Kohlensäure im Schaumwein sorgt dafür, dass Süße weniger intensiv wahrgenommen wird. Deshalb gelten für ihn andere Restzuckergehalte als für stillen Wein. Trockener Sekt etwa darf zwischen 17 und 32 Gramm Zucker pro Liter enthalten, ein trockener Wein maximal 9 Gramm.
Tipp: Wer auf Kalorien achtet, sollte neben dem Zucker- auch auf den Alkoholgehalt schauen. Je hochprozentiger der Schaumwein, desto mehr Kalorien hat er.
Champagnerkraut und Sekt-Sorbet
Sekt und Champagner schmecken nicht nur pur, man kann auch hervorragend mit ihnen kochen. Sternekoch Wohlfahrt verwendet sie zum Beispiel, um Soßen eine besondere Note zu geben. Beliebt sind Champagner- und Sekt-Sorbets zum Dessert.
Tipp: Für die Edelvariante des klassischen Sauerkrauts fügen Sie kurz vor Ende der Garzeit einen Schuss Champagner hinzu. Er macht das Kraut frisch im Geschmack. Das klappt auch mit Rotkohl.
Eine englische Erfindung?
Nicht geklärt ist die Frage, wem Gourmets die Erfindung des Champagners verdanken und wer ihn das erste Mal bewusst hergestellt hat. Der Legende nach ist der französische Mönch Dom Pérignon dafür verantwortlich. Beim Anblick seines ersten, selbstgekelterten Schaumweins soll er ausgerufen haben: „Brüder kommt schnell, ich trinke Sterne!“ Wahrscheinlicher ist es aber, dass der Vater des Champagners ein Engländer war: Der Chemiker Christopher Merret präsentierte bereits 1662 ein entscheidendes Schriftstück. Lange bevor Dom Pérignon sein Amt als Kellermeister antrat, beschrieb er, wie man Wein mit Zucker und Hefe zu einer zweiten Gärung und damit zum Perlen bringt. Für die Engländer spricht auch, dass der Champagner-Hersteller Moët & Chandon die Geschichte des glücklichen Mönchs erst mehr als hundert Jahre nach dessen Tod lancierte.
Tipp: Schenken Sie Sekt und Champagner am besten in tulpenförmige Gläser ein. In Schalen geht die Kohlensäure aufgrund der großen Oberfläche zu schnell verloren.
So laut wie ein Presslufthammer
„Guter Schaumwein ist keine Frage des Preises und der Herstellung“, resümiert Weinhändlerin Anja Schröder. „Am Ende entscheidet der Geschmack.“ In ihrem Geschäft in Berlin hat sie täglich mit Champagner-Verehrern und Sekt-Freunden zu tun.
Ihre Beobachtung: Männer und Weinliebhaber greifen eher zu Champagner, Frauen und junge Leute bevorzugen meist Sekt. Schröders Erklärung: „In den herben Charakter des Champagners muss man sich hineintrinken. Sekt ist mit seinen fruchtig-frischen Aromen geschmacklich unkomplizierter.“
Übrigens: In ausgelassener Stimmung die Korken knallen zu lassen – das kann eine extreme Erfahrung werden. Der Verschluss beschleunigt auf bis zu 50 Kilometer pro Stunde und knallt dabei bis zu 110 Dezibel laut. Das ist in etwa so laut wie ein startendes Flugzeug oder ein Presslufthammer beim Straßenbau.
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